Das Reh (Capreolus capreolus)
- Vagabundo
- 24. März 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag
Das Reh ist nicht die "Frau" vom Hirsch! Unser Reh ist die kleinste einheimische Hirschart. Das Reh wird auch europäisches Reh genannt.

So lebt das Rehwild (Capreolus capreolus)
Der Lebensstil des Rehwildes ist geprägt von Anpassungsfähigkeit, sozialen Strukturen und einem ausgeklügelten Jahresrhythmus. Als kleinste und häufigste Hirschart Europas hat es sich perfekt an verschiedene Lebensräume angepasst – vom Wald bis zur urbanen Parklandschaft. Hier eine detaillierte Beschreibung seiner Lebensweise:
1. Lebensraum und Anpassungsfähigkeit
Rehe sind Kulturfolger und besiedeln:
Waldrandzonen: Ideal sind Mischwälder mit Lichtungen, wo Deckung und Äsung (Nahrung) nah beieinander liegen.
Offene Felder: Als „Feldrehe“ leben sie in Agrarlandschaften und bilden im Winter große Gruppen („Sprünge“) zum Schutz.
Städtische Gebiete: Parks, Friedhöfe und sogar Industriebrachen werden genutzt 1012.
Besonderheit: Feldrehe haben größere Streifgebiete (bis 200 Hektar) als Waldrehe (ca. 30 Hektar).
2. Sozialverhalten und Jahresrhythmus
Winter: Rehe leben in gemischtgeschlechtlichen Sprüngen (bis 100 Tiere) für besseren Schutz.
Frühjahr/Sommer:
Böcke werden territorial und markieren Reviere mit Duftdrüsen an Bäumen.
Geißen leben einzeln oder mit Kitzen und wählen sichere Einstandsgebiete für die Aufzucht.
Herbst: Die Sprünge lösen sich langsam auf, und die Tiere bereiten sich auf den Winter vor.
3. Fortpflanzung und Aufzucht
Blattzeit (Brunft): Juli–August. Böcke treiben Geißen in kreisförmigen Hetzjagden („Hexenringe“).
Eiruhe: Die befruchtete Eizelle pausiert bis Dezember, sodass die Kitze erst im Mai/Juni geboren werden – wenn Nahrung reichlich vorhanden ist.
Kitze:
Werden meist als Zwillinge geboren und im hohen Gras abgelegt.
Sind dank weißer Tupfen und Geruchslosigkeit perfekt getarnt.
Wichtig: Berührung durch Menschen kann dazu führen, dass die Geiß sie verstößt!.
4. Nahrung und Äsungsverhalten
Rehe sind Wiederkäuer und Selektierer:
Bevorzugen energiereiche Kost: Knospen, Kräuter, junge Triebe (auch giftige Pflanzen wie Eibe!).
Äsen hauptsächlich in der Dämmerung (morgens/abends).
Im Winter fressen sie Brombeerblätter und Wintersaaten.
Problematik: Verbiss an jungen Bäumen macht Rehe zum Konfliktpunkt im Waldumbau.
5. Gefahren und Schutz
Natürliche Feinde: Wolf, Luchs, Fuchs (für Kitze).
Menschliche Bedrohungen:
Mähtod: Kitze sterben häufig bei der Wiesenmahd (Drohnen mit Wärmebildkameras helfen).
Straßenverkehr: Rehe sind häufige Opfer von Wildunfällen.
Jagd: In Deutschland wird Rehwild nachhaltig bejagt, um Bestände zu regulieren.
Fazit
Das Rehwild ist ein Meister der Anpassung, dessen Leben von jahreszeitlichen Zyklen, sozialer Flexibilität und einem feinen Gleichgewicht zwischen Nahrungssuche und Sicherheit geprägt ist. Seine Fähigkeit, in Kulturlandschaften zu überleben, macht es gleichzeitig zum Sympathieträger und zum Diskussionspunkt in Wald- und Landwirtschaft.
Fun Fact: Der „Bambi“ aus dem Disney-Film ist kein Reh, sondern ein Weißwedelhirsch – europäische Rehe sind viel kleiner und zierlicher!

Erscheinungsbild des Rehs (Capreolus capreolus)
Das Reh ist die kleinste und häufigste Hirschart Europas und besticht durch seinen schlanken, eleganten Körperbau sowie sein jahreszeitlich wechselndes Fell. Hier eine detaillierte Beschreibung seiner äußeren Merkmale:
1. Körperbau und Größe
Größe:
Schulterhöhe: 55–85 cm (je nach Geschlecht und Region).
Körperlänge: 95–140 cm.
Gewicht: 15–35 kg (Böcke sind schwerer als Ricken).
Körperform: Schlank mit langen Beinen und einem kurzen Hals. Die Kruppe (Hinterteil) liegt höher als der Widerrist (Schulter), was typisch für den „Schlüpfertypus“ ist – eine Anpassung für schnelle Flucht durch dichtes Unterholz.
2. Fell und Farbwechsel
Sommerfell (Mai–September):
Rotbraun bis fahlgelb, mit hellerer Unterseite.
Spiegel: Ein weißer Fleck am Hinterteil, der bei Gefahr aufgestellt wird und als Warnsignal dient.
Winterfell (Oktober–April):
Graubraun bis dunkelgrau, mit hohlen Haaren zur besseren Isolation.
Der Spiegel ist im Winter stärker sichtbar und dient der Kommunikation.
Besonderheiten:
Schwarze Rehe: Seltene Variante in Norddeutschland mit glänzend schwarzem Sommerfell.
Albinos: Extrem selten, mit weißem Fell und roten Augen.
3. Kopf und Sinnesorgane
Kopf: Dreieckig mit schmaler Schnauze und schwarzer Nase.
Augen: Groß, schwarzbraun („Rehaugen“), seitlich positioniert für weites Sichtfeld – aber eingeschränktes räumliches Sehen und Farbenblindheit.
Ohren: Lang-oval (ca. 14 cm), sehr beweglich für exzellentes Gehör.
Geruchssinn: Hoch entwickelt – kann Menschen auf 300 m wittern.
4. Geweih (nur bei Böcken)
Größe: 15–20 cm lang, bis 600 g schwer.
Form: Typisch drei Enden pro Stange (Vorder-, Mittel-, Rücksprosse).
Wachstum: Wird jährlich zwischen Oktober und Dezember abgeworfen; neues Geweih wächst unter Basthaut und wird im Frühjahr durch „Fegen“ an Bäumen freigelegt.
Funktion: Dient Rangordnungskämpfen während der Brunft, nicht zur Verteidigung gegen Feinde.
5. Geschlechtsunterschiede
Bock (Männchen):
Größer und kräftiger als Ricken.
Trägt ein Geweih (Januar–November).
Weißer Kinnfleck und nierenförmiger Spiegel.
Ricke (Weibchen):
Kein Geweih, aber ein herzförmiger Spiegel durch den „Schürze“ genannten Haarbüschel.
6. Rehkitze
Fell: Rotbraun mit weißen Flecken zur Tarnung – verschwindet nach 2 Monaten.
Größe: Bei Geburt ca. 1–2 kg, im ersten Winter bereits 10–12 kg.
Besonderheiten und Fun Facts
Verwechslungsgefahr: Disney’s „Bambi“ ist kein Reh, sondern ein Weißwedelhirsch.
Jägersprache: Fell = „Decke“, Ohren = „Lauscher“, Augen = „Lichter“.
Fluchtfähigkeit: Kann bis zu 60 km/h schnell laufen und 4 m weit springen.
Das Reh ist ein Meister der Tarnung und Anpassung – sein Erscheinungsbild spiegelt perfekt seine Lebensweise in Wald und Flur wider.

Fortpflanzung des Rehs (Capreolus capreolus)
Der Fortpflanzungszyklus des Rehs ist durch einzigartige biologische Anpassungen geprägt, darunter die Keimruhe (Eiruhe) und ein komplexes Brunftverhalten. Hier eine detaillierte Übersicht:
1. Brunftzeit (Blattzeit)
Zeitraum: Mitte Juli bis Mitte August, bei heißem Wetter besonders aktiv.
Verhalten der Böcke:
Markieren Reviere durch Fegen (Abrieb des Geweihs an Bäumen) und Plätzen (Duftmarken mit Klauendrüsen).
Brunftschrei: Keuchende Laute beim Treiben der Ricke.
Hexenringe: Kreisförmige Trampelspuren entstehen, wenn der Bock die Ricke umwirbt.
Verhalten der Ricken:
Sind nur 3–4 Tage brunftig und sondern Lockstoffe ab.
Sprengfiepen: Hochtoniger Warnlaut bei Bedrängnis.
2. Befruchtung und Keimruhe
Tragzeit: 9,5 Monate (40 Wochen), unterteilt in:
Keimruhe (4,5 Monate): Die befruchtete Eizelle pausiert bis Dezember, um die Geburt in die nahrungsreiche Zeit (Mai/Juni) zu verlegen.
Embryonalentwicklung (5 Monate): Ab Dezember wächst der Embryo normal.
Ausnahme: Bei Nachbrunft (selten im November/Dezember) entfällt die Keimruhe; Tragzeit verkürzt sich auf 5,5 Monate.

3. Setzzeit und Aufzucht der Kitze
Geburt: Mai/Juni, meist 1–2 Kitze (selten Drillinge).
Kitzmerkmale:
Tarnflecken: Weiße Punkte auf rotbraunem Fell, verschwinden nach 2 Monaten.
Geruchslosigkeit: Schutz vor Fressfeinden wie Fuchs oder Wildschwein.
Verhalten der Ricke:
Legt Kitze getrennt ab und säugt sie nur kurz, um keine Feinde anzulocken.
Mähgefahr: Kitze im hohen Gras sind durch Landmaschinen bedroht (Wildretter oder Drohnen helfen).
4. Geschlechterverhältnis und natürliche Regulation
Geburtsrate: Geschlechterverhältnis 1:1, aber Bockkitze sterben häufiger durch Feinde (z. B. Füchse erbeuten 4x mehr männliche Kitze).
Bestandsregulation: Starke Ricken gebären mehr weibliche Kitze, schwache mehr männliche – ein natürlicher Mechanismus zur Populationskontrolle.
5. Besonderheiten
Kulturfolger: Rehe passen sich sogar städtischen Lebensräumen an, was ihre Fortpflanzungserfolge steigert.
Altersrekord: Bis zu 17 Jahre in freier Wildbahn, aber meist sterben Tiere früher durch Jagd oder Verkehr.
Zusammenfassung
Die Fortpflanzung des Rehs kombiniert biologische Raffinesse (Keimruhe) mit sozialen Ritualen (Brunftkämpfe, Hexenringe). Durch Anpassungen wie die verzögerte Embryonalentwicklung sichern Rehe das Überleben ihrer Kitze in optimalen Umweltbedingungen. Gleichzeitig machen menschliche Einflüsse (Landwirtschaft, Straßenverkehr) die Art zu einem Symbol für den Konflikt zwischen Wildtieren und Zivilisation

Gehörnbildung des Rehbocks – Ein faszinierender Jahreszyklus
Das Geweih (in der Jägersprache "Gehörn") des Rehbocks ist ein hochkomplexes Organ, das jedes Jahr neu gebildet wird. Dieser Prozess ist hormonell gesteuert und eng mit dem Lebenszyklus des Tieres verbunden.
1. Der Geweihzyklus im Überblick
Abwurfphase (November bis Dezember)
Altes Geweih wird abgeworfen
Ausgelöst durch sinkende Testosteronwerte
Oft gleichzeitig bei allen Böcken einer Region
Neubildung (Dezember bis April)
Beginnt sofort nach Abwurf
Extrem schnelles Knochenwachstum (bis 2 cm/Tag)
Wird von Basthaut überzogen
Verfegung (März bis Mai)
Entfernung der Basthaut durch Reiben an Sträuchern
Hinterlässt charakteristische "Fegestellen"
Voll ausgebildetes Geweih ist nun sichtbar
2. Besonderheiten des Rehgehörns
Größe und Gewicht
Länge: 15-25 cm
Gewicht: 150-600 Gramm
Rekordgehörne bis 800 Gramm
Typische Form
Meist 6-Ender (3 Enden pro Stange)
Perlenbildung an der Basis
Seltene Formen: Schaufelgehörn, Doppelperlen

3. Einflussfaktoren auf die Gehörnbildung
Alter des Bockes
Kopf: Spießer (2 Enden)
Kopf: Gabler (4 Enden)
Ab 3. Kopf: Sechser oder mehr
Ernährung
Kalzium- und Phosphorversorgung entscheidend
Mineralreiche Äsung fördert starkes Gehörn
Mangel führt zu Fehlbildungen
Genetik und Gesundheit
Parasitenbefall schwächt Gehörnqualität
Verletzungen können asymmetrisches Wachstum verursachen
4. Funktionen des Gehörns
Brunftkämpfe
Dient der Rangordnungsklärung
Meist ritualisierte Kämpfe ohne Verletzungen
Verhakung der Gehörne selten, aber gefährlich
Markierverhalten
Fegen an Bäumen zur Duftmarkierung
Kommunikation mit anderen Rehen
Imponierverhalten
Präsentation des Gehörns als Statussymbol
Beeindrucken von Ricken und Rivalen
5. Pathologische Veränderungen
Kümmergehörne
Durch Krankheit oder Mangelernährung
Oft deformiert oder unvollständig
Bastgehörne
Bleibt dauerhaft in Basthaut
Meist hormonell bedingt
Perückengehörn
Wuchernde Basthautbildung
Kann durch Verletzung entstehen
Fun Fact: Das Rehgehörn ist der am schnellsten wachsende Knochen im Tierreich - innerhalb von nur 120 Tagen entsteht ein komplett neues Geweih!
Diese außergewöhnliche Fähigkeit zur jährlichen Regeneration macht das Rehgehörn zu einem der faszinierendsten Merkmale unserer heimischen Wildtiere. Die Qualität des Gehörns gibt zudem Aufschluss über den Gesundheitszustand des Tieres und die ökologische Qualität seines Lebensraumes.

Spuren und Laute des Rehs (Capreolus capreolus)
1. Trittsiegel (Fußabdrücke)
Form: Schmal-ovale, spitz zulaufende Abdrücke
Größe:
Bock: 4,5-5 cm lang, 3-3,5 cm breit
Ricke: 4-4,5 cm lang, 2,5-3 cm breit
Kitz: 2-3 cm lang
Charakteristika:
Deutliche Abdrücke der Afterklauen (Schalen)
Im Schnee bilden sich typische "Doppelherz"-Muster
Schrittlänge: 30-50 cm (im Fluchtgalopp bis 3 m)
2. Fährten und Wechsel
Äsungsfährte: Unregelmäßige, kreuzende Spuren
Wechsel: Deutlich erkennbare Trampelpfade zu Äsungsplätzen
Suhlen: Schlammlöcher zur Fellpflege (v.a. im Sommer)
Fegestellen: An Bäumen mit abgeschürfter Rinde (30-60 cm Höhe)
3. Losung (Kot)
Sommerlosung:
Dunkelbraun, glänzend
Kleine, ovale Kügelchen (0,8-1,2 cm)
Oft in Häufchen abgelegt
Winterlosung:
Hellbraun, faserig
Längliche Form durch Raufutter
Oft einzeln verstreut
4. Laute und Kommunikation
Fiepen (Kontaktlaut):
Hoher, pfeifender Ton
Kitze rufen nach der Ricke
Leise "määh"-Laute bei Unruhe
Schrecken:
Lautes, schrilles "Bellen" (bis zu 7x hintereinander)
Warnsignal bei Gefahr
Oft begleitet von Stampfen
Brunftlaute:
Bock: Keuchendes "Rehorgeln" (tiefes "äääh")
Ricke: Zartes "Fiepen" zur Lockung
Schmerzlaute:
Gellendes Schreien bei Verletzung
Kitze piepsen bei Hunger oder Kälte
5. Weitere Spuren
Verbissspuren:
Schräg abgebissene Triebe (45° Winkel)
Typisch an jungen Bäumen und Sträuchern
Schlafplätze:
Oval geformte Mulden im Gras
Oft mit Losung in der Nähe
Malbäume:
Angefrischte Baumrinde (v.a. durch Böcke)
In 30-50 cm Höhe
Besonderheit: Rehe hinterlassen oft "Spiegel"-Abdrücke im Schnee, wenn sie ihren weißen Hinterteil beim Äsen absenken.
Diese Spuren und Laute ermöglichen es, Rehe auch ohne Sichtbeobachtung nachzuweisen und ihr Verhalten zu deuten. Besonders im Winter, wenn die Tiere scheuer sind, geben diese Zeichen wertvolle Hinweise auf ihre Anwesenheit und Aktivitäten.

Steckbrief Reh
Wissenschaftlicher Name: Capreolus capreolus
Ordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Unterordnung: Hirsch (Cervidae)
Familie: Trughirsch (Capreolinae)
Unterfamilie: Caprolini
Gattung: Rehe (Capreolus)
Art: Reh
Lebenserwartung: bis etwa 15 Jahre
Lebensraum: Nadel- und Laubwald, auch in der freien Landschaft
Lebensweise: Einzelgänger und in Kleingruppen (Sprünge)
Gewicht: 15-50 Kilogramm
Körperlänge: 100-140 Zentimeter
Nahrung: Laub, Kräuter, Knospen, Früchte, Gras, Moose, Eicheln, Bucheckern, Pilze, junge Triebe
Paarungszeit/Tragezeit: Juli-August; 39-42 Wochen
Geburt: meist 2 Kitze

Komentar