Der Rotmilan (Milvus milvus) – auch als Roter Milan oder Gabelweihe bekannt
- Vagabundo
- 16. Dez. 2023
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Juli

1. Taxonomie und Systematik
Ordnung: Accipitriformes
Familie: Accipitridae (Habichtartige)
Gattung: Milvus
Unterarten:
M. m. milvus (Europa, Nordwestafrika, Vorderasien)
M. m. fasciicauda (Kapverden; gilt seit 2000 als ausgestorben, da durch Hybridisierung mit Schwarzmilanen absorbiert).
Hybridisierung: Bildet im Überlappungsgebiet mit dem Schwarzmilan (Milvus migrans) eine Hybridzone. F1-Hybriden sind fruchtbar, F2/F3-Nachkommen jedoch selten (partielle Sterilität gemäß Haldane-Regel).
2. Morphologie und Aussehen
Größe: 60–70 cm Körperlänge, Flügelspannweite 154–195 cm.
Gewicht: Männchen 800–1.200 g, Weibchen 1.000–1.300 g.
Gefieder:
Rostroter Rumpf, silbergrauer Kopf, schwarz-weiße Flügelunterseiten.
Schwanz: Tief gegabelt ("Gabelschwanz"), dient als Steuerruder beim Segelflug.
Besonderheiten:
Seltene leuzistische Form (weißliches Gefieder) in Wales (1% der Schlüpflinge).
Lautäußerungen: Pfeifende „wiuu-wiuu“-Rufe und gurgelnde Balzlaute.
3. Verbreitung und Lebensraum
Globalverbreitung: Endemit der Westpaläarktis – 95% des Weltbestands brütet in Europa.
Deutschland: Trägt Hauptverantwortung mit ca. 20.000 Brutpaaren (>50% des Weltbestands). Schwerpunkte in:
Nordostdeutschem Tiefland (Altmark, Leipziger Tieflandsbucht)
Mittelgebirgen (Harzvorland, Vogelsberg)
Südwesten (Schwäbische Alb, Hegau).
Lebensraum: Strukturreiche Agrarlandschaften mit Wechsel aus Waldrändern, Grünland und Äckern. Meidet geschlossene Wälder und intensive Monokulturen

4. Fortpflanzung und Brutbiologie
Brutbeginn: März–April (Ankunft im Revier ab Februar).
Nestbau:
Horste in Baumkronen (Eichen, Buchen, Kiefern) in 12–15 m Höhe.
Nutzt oft Altbauten von Bussarden oder eigenen Vorjahresnestern.
Gelege: 1–3 Eier (selten 4–5), Brutdauer 31–32 Tage.
Nestlingszeit: 48–54 Tage; Jungvögel werden nach dem Ausfliegen noch 4 Wochen geführt.
Bruterfolg: Durchschnittlich 1.68 Jungvögel/Brutpaar (in Deutschland leicht unterdurchschnittlich).
5. Nahrung und Jagdverhalten
Opportunistischer Generalist:
Hauptnahrung: Kleinsäuger (Feldmäuse, Maulwürfe; 50–70%), Aas (20–30%), Vögel (10%).
Saisonal: Regenwürmer im Frühjahr; in Siedlungen auch Abfälle.
Jagdtechnik:
Suchflug in niedriger Höhe (10–30 m), oft über frisch gemähten Wiesen (erleichterte Beutezugänglichkeit).
Kamera-Studien: 35% der ausgelegten Kadaver wurden von Rotmilanen genutzt – zeigt Bedeutung von Aas.
6. Gefährdungsfaktoren
Bedrohung | Auswirkung |
Landwirtschaft | Intensivierung reduziert Kleinsäuger-Bestände; Verlust von Grünland. |
Vergiftung | Illegale Köder (Fuchsbekämpfung) und Rodentizide (Nagergifte). |
Windenergie | Hohes Kollisionsrisiko – Mortalität durch Anlagen in Flugkorridoren. |
Prädatoren | Habichte erbeuten Jungvögel; Waschbären plündern Nester. |
Illegale Verfolgung | Abschüsse und Fallen trotz Schutzstatus. |
7. Schutzmaßnahmen
Habitat-Optimierung:
Erhalt von Dauergrünland, Feldgehölzen und Altbaumbeständen.
Mähmanagement: Zeitlich gestaffelte Mahd zur Sicherung der Beuteverfügbarkeit.
Horstschutz:
Pufferzonen (100–300 m Radius) um Nester während der Brutzeit.
Technische Lösungen:
Abstandsregeln für Windkraft: >1.000 m zu Horsten; Abschaltung bei Thermik (starker Segelflug).
Internationale Kooperation:
GPS-Telemetrie-Studien zeigen Zugrouten nach Südwesteuropa → Schutz der Rastplätze in Frankreich/Spanien

8. Bestandsentwicklung und Prognose
Europa: 32.200–37.700 Brutpaare (stabil, lokal rückläufig in Spanien).
Deutschland:
Rote Liste: Ungefährdet (Trend aber regional negativ).
Positive Signale: Winterbestände nehmen zu (mildere Winter, Nahrungsergänzung durch Abfälle).
Langfristige Risiken:
Klimawandel-bedingte Dürren reduzieren Beutedichte.
Fragmentierung von Lebensräumen isoliert Teilpopulationen.
Zusammenfassung
Der Rotmilan ist ein Schlüsselindikator für strukturreiche Agrarlandschaften. Sein Überleben hängt vom Erhalt kleinbäuerlicher Bewirtschaftung, der Kontrolle von Giftstoffen und einer energiepolitischen Wende ab, die Windkraft mit Artenschutz versöhnt. Deutschland trägt als „Hüter der Weltpopulation“ besondere Verantwortung – hier entscheidet sich, ob der „König der Lüfte“ sein charakteristisches Gabelkreuz weiter in den Himmel zeichnet
Verhalten des Rotmilan
Der Rotmilan (Milvus milvus) zeigt ein komplexes und anpassungsfähiges Verhalten, das von seiner spezialisierten Lebensweise in europäischen Kulturlandschaften geprägt ist.
1. Sozial- und Zugverhalten
Schlafgemeinschaften: Außerhalb der Brutzeit bilden Rotmilane große Schlafplatzgemeinschaften (bis zu 100 Vögel), die sich abends in Baumgruppen versammeln. Dies ist unter Greifvögeln ungewöhnlich und dient vermutlich dem Schutz vor Feinden und dem Austausch über Nahrungsquellen.
Zugverhalten: Als Teilzieher verlassen viele Rotmilane ab September ihre Brutgebiete und ziehen nach Südeuropa (v. a. Spanien, Südfrankreich). Seit den 2000er Jahren bleiben jedoch zunehmend Tiere in Mitteleuropa (z. B. Deutschland, Schweiz), wenn ausreichend Nahrung verfügbar ist. Der Zug dauert etwa zwei Wochen mit Tagesetappen von 50–200 km.
Winterstrategie: Überwinternde Vögel nutzen oft menschliche Siedlungen und Müllkippen als Nahrungsquelle, wo sie Aas und Abfälle sammeln.
2. Fortpflanzung und Brutpflege
Paarbindung: Rotmilane sind oft monogam und kehren jährlich mit demselben Partner ins Brutrevier zurück. Die Balz beginnt im März mit spektakulären Synchronflügen und Sturzflügen über dem Horst.
Horstbau: Nester werden bevorzugt in hohen Bäumen (Buchen, Eichen) an Waldrändern gebaut. Typisch ist die "unordentliche" Auspolsterung mit Plastik, Stoffresten oder sogar Tennisbällen – ein einzigartiges Verhalten unter Greifvögeln.
Brutablauf:
Gelege: 2–3 Eier, ab Ende März.
Brutdauer: 30–33 Tage, primär durch das Weibchen.
Nestlingszeit: 45–54 Tage; das Männchen versorgt zunächst allein mit Nahrung, später beteiligt sich das Weibchen.
Revierverteidigung: Nur die unmittelbare Horstumgebung (ca. 100 m Radius) wird gegen Eindringlinge wie Krähen oder Bussarde aggressiv verteidigt.
3. Jagd- und Nahrungsverhalten
Flexibler Nahrungserwerb: Rotmilane sind opportunistische Sammler statt aktive Jäger. Sie nutzen:
Aas und Abfälle (bis zu 50 % der Nahrung, besonders im Winter).
Mahdopfer (überfahrenes Wild, gemähte Junghasen).
Beutetiere: Kleinsäuger (Mäuse, Maulwürfe), Vögel (v. a. Jungvögel), Regenwürmer und Fische.
Jagdtechniken:
Gleitjagd: Niedriges Kreisen über offenen Flächen (Weiden, Äcker).
Piraterie: Sie stehlen Beute von anderen Vögeln wie Krähen.
Rüttelflug: Kurzes "Luftstehen" zur Ortung von Beute.

4. Kommunikation
Rufe: Hauptruf ist ein klagendes, gedehntes "wiiieeh" oder "wii-uuh, ii uu ii uu", besonders während der Balz und bei Revierstreitigkeiten.
Stille außerhalb der Brutzeit: Außerhalb der Paarungsphase sind Rotmilane selten zu hören.
5. Bedrohungen und Anpassungen
Windkraftanlagen: Rotmilane sind die am häufigsten durch Windrotoren getötete Vogelart in Europa. Sie nutzen die Brachflächen an Anlagen zur Nahrungssuche und nehmen die Rotoren nicht als Gefahr wahr.
Landwirtschaft: Intensivierung führt zu:
Verlust von Brachflächen und Kleinsäugern.
"Verdichtung" der Vegetation (z. B. durch Raps), die die Beutesuche erschwert.
Anpassungen:
Ausweichen auf Siedlungen und Autobahnen für Aas.
Nutzung von Agrarflächen mit Blühstreifen oder Staffelmahd.
Tabelle: Jahreszyklus des Rotmilans
Zeitraum | Aktivitäten |
Februar–März | Rückkehr aus Winterquartieren; Balzflüge und Horstbesetzung. |
April–Mai | Eiablage und Bebrütung; Männchen liefert Nahrung. |
Juni–Juli | Fütterung der Jungvögel; Familienverbund löst sich nach dem Ausfliegen auf. |
August–September | Bildung von Schlafgemeinschaften; Beginn des Zuges in den Süden. |
Oktober–Januar | Standvögel nutzen Kulturlandschaften; Zugvögel in Winterquartieren. |
Der Rotmilan demonstriert durch sein Verhalten eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit an menschgeprägte Landschaften, bleibt aber durch Energiegewinnung und Landnutzung stark gefährdet. Schutzprojekte wie "Rotmilan – Land zum Leben" setzen auf die Förderung kleinsäugerfreundlicher Bewirtschaftung


Die Nahrung des Rotmilan
Der Rotmilan (Milvus milvus) ist ein opportunistischer Allesfresser mit flexibler Nahrungswahl, die stark von saisonaler Verfügbarkeit und regionalen Gegebenheiten abhängt.

Hauptnahrungskomponenten
Aas (30–50%):
Verkehrsopfer: Überfahrene Kleinsäuger, Vögel oder Amphibien (besonders entlang von Straßen).
Mahdopfer: Getötete Feldtiere (z. B. Rehkitze, Junghasen) während der Wiesenmahd.
Tierkadaver: Nutztierkadaver oder verendetes Wild.
Kleinsäuger (20–40%):
Feldmäuse, Maulwürfe, Ratten und junge Kaninchen.
Besonders wichtig im Frühjahr/Sommer zur Jungenaufzucht.
Regenwürmer (bis zu 25%):
Werden nach Regenfällen auf frisch gepflügten Äckern oder Wiesen gesammelt.
Vögel (10–15%):
Vorwiegend Jungvögel (z. B. von Feldlerchen, Staren) oder kranke Altvögel.
Selten aktive Jagd – meist ergriffene Bodenbrüter oder Nestlinge.
Insekten & Fische:
Großinsekten (Heuschrecken, Käfer), tote Fische an Gewässern.
Anthropogene Abfälle:
Auf Müllkippen oder in Siedlungen (Fleischreste, Fischabfälle).
Jagd- und Nahrungserwerbsstrategien
Methode | Beschreibung |
Suchtflug | Geringe Flughöhe (10–30 m) über Offenland; erspäht Beute mit scharfem Sehvermögen. |
Piraterie | Raubt anderen Vögeln (z. B. Krähen, Bussarden) Beute ab (Kleptoparasitismus). |
Stoßtauchen | Selten – nur bei lebender Beute (z. B. Fischen in Flachwasser). |
Bodenlesen | Sammelt Regenwürmer oder Insekten zu Fuß. |

Saisonale Unterschiede
Frühjahr/Sommer:Mehr Kleinsäuger und Vögel (Brutzeit der Beutetiere).
Herbst/Winter:Höherer Aasanteil (z. B. Mahdopfer nach Ernten), Regenwürmer nach Regen, Abfälle in Siedlungen.
Einflussfaktoren auf das Nahrungsangebot
Landwirtschaft:
Negativ: Intensivierung reduziert Kleinsäuger-Bestände (durch Pestizide/fehlende Brachflächen).
Positiv: Blühstreifen oder Staffelmahd bieten Jagdrevieren.
Klimawandel:Mildere Winter ermöglichen mehr Standvögel → höhere Abhängigkeit von menschlichen Nahrungsquellen.
Windenergie:Rotmilane nutzen die Grasflächen unter Windrädern zur Nahrungssuche → hohes Kollisionsrisiko.
Besonderheiten
Plastik im Nest:Sammelt oft Plastikfolien oder Textilien zum Auspolstern des Horsts – vermutlich, weil es Ähnlichkeit mit toter Beute hat.
„Mülltonnen-Ressource“:In Spanien überwintern bis zu 30.000 Rotmilane gezielt in der Nähe von Mülldeponien.
Gefährdung durch Nahrungsknappheit
Hauptproblem: Rückgang der Kleinsäuger durch Monokulturen (z. B. Mais, Raps).
Lösungsansätze:
Agrarumweltprogramme mit extensiver Grünlandnutzung.
Aas-Liegezeiten verlängern: EU-Verordnung erlaubt seit 2021 das Belassen von Tierkadavern in Rotmilan-Gebieten.
Der Rotmilan zeigt hier eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit – sein Überleben hängt jedoch stark vom Erhalt mosaikartiger Kulturlandschaften ab. Artenschutzprojekte wie Rotmilan – Land zum Leben setzen genau hier an.

Paarungsverhalten und Jungenaufzucht des Rotmilan
Der Rotmilan (Milvus milvus) zeigt ein komplexes Paarungsverhalten und eine hochspezialisierte Jungenaufzucht, die eng mit seinen Lebensraumanforderungen verknüpft sind.

1. Paarungsverhalten und Balz
Partnerbindung: Rotmilan-Paare bleiben oft über Jahre oder sogar lebenslang zusammen. Trotz getrennter Winterwanderungen finden sie sich jedes Frühjahr im Brutrevier wieder. Diese Stabilität basiert auf hoher Horst- und Revierbindung.
Spektakuläre Balzflüge: Ab Februar/März führen die Paare Synchronflüge durch, bei denen sie minutenlang parallel kreisen. Höhepunkt sind "Trudelflüge": Sie greifen sich gegenseitig an den Fängen und stürzen sich spiralförmig aus großer Höhe herab, lösen sich erst knapp über dem Boden und steigen wieder auf. Diese Flüge dienen der Paarbindung und Revierabgrenzung.
Futtergeschenke: Das Männchen überreicht dem Weibchen während der Balz Beute (z. B. Kleinsäuger oder Vögel), was als wichtiges Paarungsritual gilt.
2. Horstbau und Eiablage
Neststandort: Horste werden bevorzugt in hohen Bäumen (15–30 m) an Waldrändern errichtet, besonders in Rotbuchen (52 %), Eichen, Kiefern oder Pappeln. Entscheidend ist die Nähe zu offenen Nahrungsflächen (< 200 m).
"Schmückendes" Nistmaterial: Auffällig ist die Verwendung von "Fundstücken" wie Plastiktüten, Lumpen, Papier oder sogar Tennisbällen zur Auskleidung. Dies könnte dem Sozialstatus dienen – dominante Paare verwenden auffälligeres Material.
Gelege: Das Weibchen legt Ende März bis April meist 2–3 Eier (selten 1–5) im Abstand von 3 Tagen. Brutbeginn ist oft nach dem ersten Ei, was zu asynchronem Schlupf führt.

3. Brut und Schlupf
Brutdauer: Das Weibchen bebrütet die Eier etwa 30–38 Tage, während es vom Männchen mit Nahrung versorgt wird. Die Schlupfrate ist stark witterungsabhängig – Kälte oder Störungen können zum Brutabbruch führen.
Nestlingsphase:
Erste 3 Wochen: Das Weibchen hudert die Jungvögel fast ununterbrochen, während das Männchen allein jagt (bis zu 6x täglich).
Ab 4. Woche: Beide Eltern jagen. Die Nahrung besteht jetzt vermehrt aus Jungvögeln (Frühjahr) und später aus Mahdopfern (Mäuse, Junghasen).
4. Entwicklung der Jungvögel
Ästlingsstadium (ca. 7 Wochen): Noch nicht flugfähige Jungvögel klettern im Horstbaum, trainieren Flugmuskulatur durch Flügelschlagen und kurze Sprünge. Dies reduziert das Risiko von Bodenräubern.
Bettelflugperiode (ab 8 Wochen): Nach dem Ausfliegen (Anfang Juli) folgen die Jungen den Eltern im Revier und betteln lautstark um Nahrung ("wiiuu"-Rufe). Sie werden noch 3–4 Wochen gefüttert, bevor sie selbständig jagen.
Dispersal: Ab August verlassen Jungvögel das Revier. Ihre Überlebensrate im ersten Jahr liegt bei nur 40–50 %, da sie häufig Windrädern oder Beutegreifern zum Opfer fallen.
5. Gefährdungen und Schutz
Nahrungsmangel: Intensive Landwirtschaft reduziert Kleinsäuger-Bestände und verdichtet Vegetation (z. B. Raps), was die Beutesuche erschwert. Folge: Nur 1,4–1,9 Jungvögel pro Brut überleben – zu wenig für Bestandserhalt (>2 nötig).
Störungen an Horsten: Forstarbeiten oder Freizeitaktivitäten während der Brut (April–Juli) können zum Brutabbruch führen. Nestschutzzonen (100-m-Radius) sind daher essenziell.
Windenergie: Bis zu 3.000 Rotmilane/Jahr sterben in Deutschland durch Kollisionen, da sie Windrad-Brachen zur Nahrungssuche nutzen.
Schutzmaßnahmen: Projekte wie "Rotmilan – Land zum Leben" fördern:
Staffelmahd (zeitversetztes Mähen für Mahdopfer)
Blühstreifen und Brachen als Kleinsäuger-Lebensraum
EU-Kadaverrichtlinie (Tierkadaver als Nahrungsquelle).
Zusammenfassung in Stichpunkten
Phase | Dauer | Schlüsselprozesse |
Balz | Feb–März | Trudelflüge, Futterübergaben, Reviermarkierung |
Horstbau | März–April | Nest in Baumkronen mit "Schmuck"; 1–3 Wechselhorste/Revier |
Brut | 30–38 Tage | Weibchen brütet; Männchen liefert Nahrung; Störungen kritisch! |
Nestlinge | 0–7 Wochen | Asynchroner Schlupf; anfangs 100 % Abhängigkeit vom Männchen |
Ästlinge | 7–8 Wochen | Klettern/Sprungübungen; Flugtraining |
Bettelflug | 8–12 Wochen | Eltern führen Jungvögel ins Jagdgebiet; laute Bettelrufe |
Der Rotmilan demonstriert durch seine langjährige Partnertreue und elterliche Fürsorge eine hohe soziale Intelligenz. Sein Überleben hängt jedoch vom Erhalt mosaikartiger Kulturlandschaften und dem Schutz vor technischen Infrastrukturen ab. Mit über 50 % des Weltbestands in Deutschland tragen wir hier eine globale Verantwortung

Rotmilan-Steckbrief
Alter: bis zu 34 Jahre
Nahrung: Aas, Kleinsäuger, Vögel, Wirbellose Tiere, Amphibien
Feinde: Uhu, Habicht, Baummarder, Waschbär
Größe: 60-70 cm
Flügelspannweite: 150-175 cm
Gewicht: Männchen: 800- 200 Gramm, Weibchen: 900-1400 Gramm
Enger Verwandter: Schwarzmilan
Lateinischer Name: Milvus milvus

Der Rotmilan in der Antike
Der Rotmilan (Milvus milvus) spielte in der Antike eine bedeutende Rolle als ökologischer und kultureller Akteur, vor allem im mediterranen Raum. Seine Anpassungsfähigkeit an menschliche Siedlungen und sein markantes Erscheinungsbild prägten die Wahrnehmung in antiken Gesellschaften. Hier sind die Schlüsselaspekte seiner Bedeutung in der Antike:
1. Ökologische Funktion: "Städtischer Gesundheitsdienst"
Aasverwertung: Rotmilane fungierten als natürliche "Müllabfuhr" in antiken Städten. Sie beseitigten Tierkadaver, Schlachtabfälle und organische Reste, wodurch sie zur Hygiene beitrugen und Seuchen vorbeugten.
Synanthropie: Als typischer Kulturfolger nutzten sie menschliche Siedlungen intensiv – ähnlich wie heute – und jagten in Agrarlandschaften oder an Flussufern nach Fischen und Kleintieren.
2. Mythologische und religiöse Symbolik
Boten der Götter: Im griechisch-römischen Kontext wurden Greifvögel oft mit Gottheiten wie Zeus/Jupiter assoziiert. Der Rotmilan galt aufgrund seiner eleganten Flugmanöver und scharfen Sinne als Mittler zwischen Himmel und Erde.
Omen-Interpretation: Sein Erscheinen wurde als Vorzeichen gedeutet. So deuteten römische Auguren (Priester) den Flug von Milane als Hinweis auf göttlichen Willen oder kommende Ereignisse.
3. Praktische Nutzung in Medizin und Alltag
Federn als Werkzeug: Die charakteristischen rostroten Schwanzfedern wurden vereinzelt für Schreibgeräte (z. B. als Schreibkiele) oder rituelle Accessoires verwendet.
Medizinische Rezepte: Obwohl in den analysierten römischen Arzneipillen (Relitto del Pozzino-Schiffswrack) keine Milan-Bestandteile nachgewiesen wurden, nutzte die Volksmedizin Vogelteile (z. B. Fett oder Federn) bei Augenleiden – möglicherweise inspiriert vom scharfen Sehsinn des Vogels.
4. Künstlerische Darstellungen
Mosaike und Malereien: In römischen Villen fand sich der Rotmilan als Motiv in Naturdarstellungen, etwa in Pompeji. Seine tief gegabelten Schwanzfedern und die weißen Flügelfelder machten ihn zu einem erkennbaren Symbol für Anmut und Wildheit.
Literarische Erwähnungen: Autoren wie Plinius der Ältere beschrieben Milan-Arten in naturkundlichen Werken. Dabei hoben sie deren Jagdgeschick und die Fähigkeit hervor, anderen Vögeln Beute abzujagen (Kleptoparasitismus).
5. Konflikt mit dem Menschen
Landwirtschaftliche Probleme: Antike Quellen beklagen vereinzelt, dass Milane Geflügel rissen oder Erntediebstahl begingen. Dies führte zu lokaler Verfolgung – ein Gegensatz zu ihrer religiösen Verehrung.
Symbol der Ambivalenz: Der Vogel verkörperte sowohl Nutzen (Hygiene) als auch Bedrohung (Beutegreifer), was seine zwiespältige Wahrnehmung prägte.
Vergleich: Rotmilan vs. Adler in der Antike
Aspekt | Rotmilan | Adler (imperiales Symbol) |
Ökologische Rolle | Aasfresser, Hygienefunktion | Aktiver Jäger, "edler" Beutegreifer |
Kulturelle Rolle | Volksnah, Alltagsbegleiter | Herrschaftszeichen (z. B. Legionsadler) |
Religiöse Deutung | Omen für Alltägliches | Omen für Imperium und Sieg |
Fazit: Vom Nutzvogel zum vergessenen Symbol
Der Rotmilan war in der Antike ein integraler Teil des ökologischen und kulturellen Gefüges. Während Adler als Machtsymbole dominierten, repräsentierte der Milan das praktische Zusammenspiel von Mensch und Natur – insbesondere durch seine hygienische Funktion. Sein Rückgang in heutigen Agrarlandschaften spiegelt den Verlust dieser jahrtausendealten Koexistenz wider. Archäozoologische Studien (z. B. Knochenfunde in römischen Siedlungen) könnten hier weitere Aufschlüsse liefern


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