Der Turmfalke (Falco tinnunculus)
- Vagabundo
- 24. März 2024
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 1 Tag
Der Turmfalke, wissenschaftlich Falco tinnunculus genannt, ist einer der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Greifvögel Europas. Mit seiner charakteristischen Flugweise und seinem markanten Erscheinungsbild hat er sich tief in das Bild unserer Kulturlandschaft eingeprägt. Dieser mittelgroße Falke zeigt eine faszinierende Biologie und besondere Anpassungen, die ihn zu einem erfolgreichen Jäger machen.
Erscheinungsbild und Merkmale: Der Turmfalke weist einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus auf, wobei das Männchen und Weibchen unterschiedlich gefärbt sind. Das Männchen präsentiert sich mit einem grauen Kopf und einer ebenso grauen Schwanzfederung, die von einer schwarzen Endbinde abgeschlossen wird. Sein Rücken ist kastanienbraun mit schwarzen Flecken, während die Unterseite cremefarben bis hellbraun erscheint und mit dunklen Flecken und Strichen versehen ist. Das Weibchen ist insgesamt matter gefärbt, mit einer durchgehend braunen Oberseite und einer stärkeren Streifung an Brust und Bauch. Beide Geschlechter besitzen die für Falken typischen schmalen, spitzen Flügel und den charakteristischen "Falkenbart", einen dunklen Streifen unter dem Auge.
Mit einer Körperlänge von 32-35 cm und einer Flügelspannweite von 65-80 cm ist der Turmfalke etwas kleiner als eine Taube. Sein Gewicht variiert zwischen 150 und 300 Gramm, wobei das Weibchen deutlich schwerer ist als das Männchen. Die Augen des Turmfalken sind von einem leuchtenden Gelb, das im Kontrast zu der dunklen Iris steht und ihm ein besonders wachsames Aussehen verleiht.

Flugbild und Jagdverhalten: Der Turmfalke ist vor allem für seinen Rüttelflug berühmt, eine einzigartige Flugtechnik, bei der er nahezu bewegungslos in der Luft stehen bleibt. Dabei schlägt er schnell mit den Flügeln und nutzt den Wind, um seine Position zu halten. Der Schwanz wird währenddessen fächerartig gespreizt, was ihm eine außerordentliche Manövrierfähigkeit verleiht. Diese Technik ermöglicht es ihm, den Boden unter sich minutenlang nach Beute abzusuchen.
Bei der Jagd setzt der Turmfalke auf sein außergewöhnlich gutes Sehvermögen. Seine Augen können ultraviolettes Licht wahrnehmen, was ihm hilft, die Urinspuren von Kleinsäugern zu erkennen - ein entscheidender Vorteil bei der Beutesuche. Hat er ein Ziel ausgemacht, stößt er im Sturzflug herab und ergreift die Beute mit seinen scharfen Krallen. Im Gegensatz zu anderen Falkenarten tötet der Turmfalke seine Beute nicht durch einen gezielten Biss in den Nacken, sondern durch den Aufprall und die Wucht des Angriffs.

Fortpflanzung Turmfalke
Fortpflanzung und Brutbiologie: Die Balz des Turmfalken beginnt bereits im zeitigen Frühjahr. Das Männchen vollführt dann spektakuläre Schauflüge mit Sturzflügen und Loopings, begleitet von schnellen "kikiki"-Rufen. Turmfalken führen meist eine monogame Saisonehe, wobei Paare in guten Revieren oft über Jahre zusammenbleiben.
Als Nistplatz dienen vor allem Felsnischen, aber auch Nischen an Gebäuden oder alte Krähennester. Besonders charakteristisch ist die Nutzung von speziellen Nistkästen, die vielerorts zur Förderung der Population aufgehängt werden. Das Weibchen legt zwischen April und Mai 3-6 hellgelbe Eier mit rotbraunen Flecken, die etwa 28 Tage lang bebrütet werden. Während dieser Zeit wird das Weibchen vom Männchen mit Nahrung versorgt.
Die Jungvögel schlüpfen asynchron und sind zunächst mit weißlichem Dunen bedeckt. Nach etwa 30 Tagen sind sie flugfähig, werden aber noch weitere 2-4 Wochen von den Eltern versorgt. Während der Aufzucht zeigt sich die besondere Anpassungsfähigkeit dieser Falken: In städtischen Gebieten wurde beobachtet, dass die Eltern ihre Jungen mit deutlich kleinerer Beute füttern als in ländlichen Gebieten, was vermutlich auf die andersartige Beuteverfügbarkeit zurückzuführen ist.
Nahrungsspektrum:Das Beutespektrum des Turmfalken ist vielfältig und passt sich den lokalen Gegebenheiten an. Hauptnahrung sind Feldmäuse und andere Kleinsäuger, die bis zu 80% seiner Nahrung ausmachen können. In mäusearmen Zeiten weicht er auf Kleinvögel wie Sperlinge oder junge Stare aus. Besonders in städtischen Gebieten hat er gelernt, sich auf die Jagd von Haussperlingen zu spezialisieren. Auch größere Insekten wie Heuschrecken und Käfer stehen auf seinem Speiseplan, ebenso wie gelegentlich Reptilien und Regenwürmer.
Interessanterweise zeigt der Turmfalke ein ausgeprägtes Lernverhalten bei der Nahrungssuche. So wurde beobachtet, dass einzelne Vögel spezielle Jagdtechniken entwickeln, etwa das gezielte Absuchen von Straßenrändern nach überfahrenen Tieren oder das Ausnutzen von frisch gemähten Wiesen, wo die Beute leichter zu entdecken ist.

Lebensraum und Verbreitung:Der Turmfalke ist ein ausgesprochener Kulturfolger und hat sich nahezu allen Lebensräumen angepasst, die ihm ausreichend Jagdmöglichkeiten und Nistplätze bieten. Ursprünglich ein Bewohner von Felslandschaften und Steilhängen, nutzt er heute vor allem die vom Menschen geschaffene Infrastruktur. Hochhäuser, Kirchtürme, Strommasten und Brücken dienen ihm als Ersatz für natürliche Felswände. Sein Name leitet sich von dieser Vorliebe für hohe Bauwerke ab.
In Europa ist der Turmfalke flächendeckend verbreitet, mit Ausnahme von Island und den nördlichsten Regionen Skandinaviens. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über ganz Eurasien bis nach China und Indien, sowie nach Afrika südlich der Sahara. In Mitteleuropa ist er teilweise Standvogel, während Populationen aus Nord- und Osteuropa im Winter nach Süden ziehen. In Deutschland gehört er zu den häufigsten Greifvögeln mit einem Bestand von etwa 40.000-60.000 Brutpaaren.

Besonderheiten und Kuriositäten: Der Turmfalke zeigt einige bemerkenswerte Verhaltensweisen, die ihn von anderen Greifvögeln unterscheiden. So wurde beobachtet, dass er gelegentlich Beute gegen den Wind wirft, um sie leichter mit den Krallen fassen zu können - eine Technik, die normalerweise nur von größeren Falkenarten bekannt ist. In städtischen Gebieten haben einige Turmfalken gelernt, Straßenlaternen als Jagdhelfer zu nutzen, indem sie nachts Insekten fangen, die vom Licht angezogen werden.
Ein weiteres faszinierendes Detail ist die Tatsache, dass Turmfalken in der Lage sind, ihre Jagdtechniken an verschiedene Beutetypen anzupassen. Während sie bei Mäusen den Rüttelflug bevorzugen, jagen sie Insekten oft im schnellen Verfolgungsflug und nähern sich Singvögeln gerne im bodennahen Anflug, um unentdeckt zu bleiben.
In der Kulturgeschichte hat der Turmfalke eine besondere Rolle gespielt. Sein Name "tinnunculus" leitet sich vom lateinischen Wort für "klingeln" ab und bezieht sich auf seinen charakteristischen Ruf. Im Mittelalter galt er als "Priesterfalke", weil man ihn häufig auf Kirchtürmen antraf. Heute ist er in vielen Ländern ein geschützter und geschätzter Vogel, der mit seiner Anpassungsfähigkeit und seinem eleganten Flugbild die Menschen begeistert.

Gefährdung und Schutz:Obwohl der Turmfalke noch zu den häufigeren Greifvögeln gehört, sind seine Bestände in vielen Regionen rückläufig. Hauptgefährdungsursachen sind der Verlust von Brachflächen und Feldrainen, die Intensivierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden, die seine Nahrungsgrundlage vernichten. Auch Kollisionen mit Glasflächen und Verkehrsmitteln fordern viele Opfer.
Schutzmaßnahmen konzentrieren sich auf die Erhaltung von strukturreichen Kulturlandschaften, die Anbringung von Nisthilfen und die Reduzierung von Pestiziden. In vielen Städten haben Turmfalken-Projekte gezeigt, dass diese Art besonders gut von gezielten Schutzbemühungen profitieren kann. Als Indikatorart für eine intakte Kulturlandschaft kommt dem Turmfalken eine besondere Bedeutung zu - sein Verschwinden wäre ein Alarmsignal für den Zustand unserer Umwelt.

Zugverhalten des Turmfalken (Falco tinnunculus)
Der Turmfalke zeigt ein komplexes Zugverhalten, das je nach geografischer Lage, Klima und Nahrungsverfügbarkeit variiert. Während einige Populationen standorttreu sind, unternehmen andere weite Wanderungen. Dieses flexible Zugmuster macht ihn zu einem erfolgreichen Überlebenskünstler in unterschiedlichen Lebensräumen.
1. Grundlagen des Zugverhaltens
Der Turmfalke gehört zu den Teilziehern, was bedeutet, dass nur bestimmte Populationen wandern, während andere sesshaft bleiben. Sein Zugverhalten wird hauptsächlich durch folgende Faktoren beeinflusst:
Klima: In Regionen mit milden Wintern bleibt er ganzjährig, während Populationen in kälteren Gebieten ziehen.
Nahrungsangebot: Ein Rückgang der Beutetiere (v. a. Mäuse) im Winter löst Zugbewegungen aus.
Tageslichtlänge: Die abnehmende Tageslichtdauer im Herbst signalisiert den Beginn des Zugtriebs.
2. Zugrouten und Winterquartiere
Mitteleuropäische Populationen (z. B. Deutschland, Frankreich):
Standvögel: Viele Turmfalken bleiben im Winter in ihren Brutgebieten, besonders in städtischen Regionen mit ausreichend Nahrung.
Kurzstreckenzieher: Einige ziehen nach Südfrankreich, Spanien oder Nordafrika.
Nord- und Osteuropäische Populationen (Skandinavien, Baltikum, Russland):
Langstreckenzieher: Sie fliegen bis nach Südeuropa (Italien, Balkan) oder sogar Subsahara-Afrika (Senegal, Sudan).
Asiatische Populationen:
Ziehen vom nördlichen Russland bis nach Indien oder Arabien.
Flugweise während des Zugs:Turmfalken ziehen meist einzeln oder in kleinen Gruppen, nicht in großen Schwärmen. Sie nutzen Thermik zum energiesparenden Segelflug und legen täglich etwa 50–100 km zurück.
3. Besonderheiten des Zugverhaltens
Jahreszeitliche Unterschiede:
Herbstzug: Beginnt ab September, Höhepunkt im Oktober/November.
Frühjahrszug: Rückkehr ab Februar/März, Brutpaare kehren oft in ihre angestammten Reviere zurück.
Jungvögel vs. Altvögel:
Junge Turmfalken wandern tendenziell weiter südlich als adulte Vögel.
Manche Jungvögel verbleiben im Winterquartier und kehren erst im zweiten Lebensjahr zurück.
Wetterabhängigkeit:
Bei starkem Wind oder Regen legen sie Zwischenstopps ein.
In milden Wintern brechen einige Populationen den Zug frühzeitig ab.
4. Gefahren während des Zugs
Verlust von Rastgebieten: Intensive Landwirtschaft und Trockenlegung von Feuchtgebieten reduzieren Nahrungsquellen.
Illegale Jagd: Besonders im Mittelmeerraum (Malta, Zypern) werden ziehende Falken geschossen.
Kollisionen: Stromleitungen, Windräder und Glasfassaden fordern viele Opfer.
Klimawandel: Mildere Winter führen dazu, dass weniger Turmfalken ziehen, was lokale Nahrungskonkurrenz verstärkt.
5. Forschung und Schutzmaßnahmen
Beringung und Satellitentelemetrie: Wissenschaftler verfolgen Zugrouten, um wichtige Rastgebiete zu identifizieren.
Schutz von Winterquartieren: In Afrika werden Savannen und Halbwüsten als Überwinterungsgebiete geschützt.
Reduzierung von Gefahrenquellen: Bird-friendly Architektur und Markierung von Stromleitungen helfen, Kollisionen zu vermeiden.
Fun Fact: Ein in Norwegen beringter Turmfalke wurde später im Kongo wiedergefunden – eine Strecke von über 6.000 km!
Zusammenfassung
Der Turmfalke zeigt ein flexibles Zugmuster, das von Standorttreue bis zu transkontinentalen Wanderungen reicht. Während mitteleuropäische Populationen oft bleiben, ziehen nordische Vögel bis nach Afrika. Sein Überleben hängt vom Schutz saisonaler Lebensräume und sicheren Zugrouten ab. Mit seiner Anpassungsfähigkeit bleibt er einer der erfolgreichsten Falken Europas – doch Klimawandel und Lebensraumverlust könnten dies ändern.

Bestand und Schutz des Turmfalken
Gefährdung und Schutz: Obwohl der Turmfalke noch zu den häufigeren Greifvögeln gehört, sind seine Bestände in vielen Regionen rückläufig. Hauptgefährdungsursachen sind der Verlust von Brachflächen und Feldrainen, die Intensivierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden, die seine Nahrungsgrundlage vernichten. Auch Kollisionen mit Glasflächen und Verkehrsmitteln fordern viele Opfer.
Schutzmaßnahmen konzentrieren sich auf die Erhaltung von strukturreichen Kulturlandschaften, die Anbringung von Nisthilfen und die Reduzierung von Pestiziden. In vielen Städten haben Turmfalken-Projekte gezeigt, dass diese Art besonders gut von gezielten Schutzbemühungen profitieren kann. Als Indikatorart für eine intakte Kulturlandschaft kommt dem Turmfalken eine besondere Bedeutung zu - sein Verschwinden wäre ein Alarmsignal für den Zustand unserer Umwelt.

Steckbrief des Turmfalken
Name: Turmfalke
Lateinischer Name: Falco tinnunculus
Familie: Falkenartige (Falconidae)
Ordnung: Greifvögel (Falconiformes)
Gattung: Falken (Falco)
Größe: 32 - 38 cm
Gewicht: etwa 200 Gramm (Männchen), etwa 220 - 300 Gramm (Weibchen)
Flügelspannweite: 82 cm
Brut: eine Jahresbrut
Brutzeit: April - Juni
Anzahl der Eier: 4 - 6, manchmal auch 7
Nahrung: Mäuse, kleine Säuger, kleine Singvögel, Käfer, Regenwürmer
Lebenserwartung: 10 - 18 Jahre
Zugverhalten: nur in kalten nördlichen Regionen, Teilzieher
Feinde: Habicht, Marder, Uhu, Mensch, Krähen, Parasiten, Infektionskrankheiten
Lebensraum: Offene und halboffene Landschaften, Siedlungen und Städte
Bedrohung: Ja, da ein Rückgang an Nahrung und Nistplätzen zu verzeichnen ist

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